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Bestbieterprinzip: Potenzial von öffentliche Vergaben noch längst nicht ausgeschöpft

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Drei Personen bei der Terminkoordination mit Notizbuch, Handy und Tablet

Pressegespräch

 

  • „Verdeckte“ Billigbieterverfahren: Überdurchschnittlich hohe Gewichtung von Preis selbst bei Bestbieterfahren
  • Unternehmen fordern gesetzliche Festschreibung von Mindestgrenzen
  • Ausschreibungsvolumen der öffentlichen Hand beläuft sich auf 35,2 Mrd. Euro (Oberschwellenbereich)

 

Seit rund einem Jahr ist die Novelle des Bundesvergaberechts in Kraft, die das Bestbieterprinzip bei öffentlichen Vergaben rechtlich gesehen gestärkt hat. Das so genannte Bestbieterprinzip ist vom Gesetzgeber als Standardverfahren vorgesehen. Wie sich das Prinzip des „technisch-wirtschaftlich günstigsten Angebots“ in der Vergaberealität niederschlägt, hat nun eine vom Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) und dem Fachverband Metalltechnische Industrie in Auftrag gegebene Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts WFIO analysiert.

 

Untersucht wurden rund 18.600 Vergaben im Oberschwellenbereich in den vergangenen acht Jahren in Österreich. Im Schnitt beläuft sich das Ausschreibungsvolumen im Oberschwellen-bereich auf 35,2 Mrd. Euro oder zirka elf Prozent des BIP. Etwas mehr als die

 

Hälfte wird davon mittels Bestbieterprinzip vergeben – im europäischen Vergleich befindet sich Österreich damit im Mittelfeld. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass das Bestbieterprinzip, so wie es vom Gesetzgeber vorgesehen ist, deutlich zu kurz kommt.

 

„Die enorme Wirkungskraft der öffentlichen Beschaffung kann sich – wie die Wifo-Studie erstmals zeigt – derzeit zu wenig entfalten“, kritisiert Brigitte Ederer, FEEI-Präsidentin. „Trotz des Einsatzes von preisfremden Kriterien wie Qualität oder Nachhaltigkeit dominiert der Preis die Auswahl. Vielfach werden Bestbieterausschreibungen mithilfe von Feigenblattkriterien zu verdeckten Billigstbietervergaben. Diese österreichische Besonderheit sucht im europäischen Ländervergleich seinesgleichen.“

 

„Der vorhandene Spielraum in Bestbieterverfahren wird nicht genützt und wertvolle Hebel-kraft für heimische Unternehmen wird vertan“, weist Christian Knill, Präsident des Fachverbands Metalltechnische Industrie hin. Das Bestbieterprinzip könnte aber ein effektives Instrument sein, um Innovation, Technologien und Wertschöpfung in Österreich zu stärken. „Was am Ende zählt, ist nicht nur der billigste Preis“, so Knill. „Der beste Bieter ist im Endeffekt der, vielseitige, zukunftssichere Lösungen anbieten kann. Die öffentliche Hand muss dafür bei Investitionen als Lead User vorangehen und gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten wichtige Impulse setzen.“

 

Jedes fünfte Verfahren gewichtet Preis über 95 Prozent
Konkret zeigt das Ergebnis der Wifo-Studie, dass bei 19 Prozent der Bestbietervergaben – also bei rund jedem fünften Verfahren – das Gewicht des Preises über 95 Prozent beträgt und damit das beherrschende Kriterium ist. Bei etwa einem Drittel (34 Prozent) hat der Preis immer noch 90 Prozent Gewicht.

 

Andere preisfremde Kriterien wie Lieferung, Nachhaltigkeit oder Service, die in anderen Ländern ebenfalls zur deutlichen Verringerung des Preises herangezogen werden, werden in Österreich überdurchschnittlich oft als Feigenblattkriterien eingesetzt und haben de facto keinen Einfluss auf das Ergebnis.

 

Auffallend ist die hohe Gewichtung auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die in der Studie untersucht wurden: In keinem anderen untersuchten EU-Land ist die Preisgewichtung so stark und häufig ausgeprägt wie in Österreich.

 

Forderungen nach gesetzlicher Festschreibung von Mindestgrenzen
Um Österreich zu einem Vorzeigeland für Vergabeverfahren zu machen, fordern die Unter-nehmen der Elektro- und Elektronikindustrie sowie der Metalltechnischen Industrie eine ge-setzliche Verankerung von mindestens zwei preisfremden Kriterien. „Um das Problem der so genannten Feigenblattkriterien zu verhindern, soll darüber hinaus eine etwa eine Maximalge-wichtung des Preises gesetzlich festgeschrieben werden, zum Beispiel 60 bis 80 Prozent“, so Knill.

 

Weiters ist es zielführend, Kataloge mit inhaltlich substantiierten Qualitätskriterienzu erstellen, um Auftraggebern und Beschaffern die Auswahl an preisfremden Kriterien zu erleichtern. Wesentlich für die Stärkung des Bestbieterprinzips ist auch die laufende Schulung der Personen und Entscheidungsträger in den ausschreibenden Stellen. Dies erfordert Ressourcen so-wie fachliche und technische Kompetenz auf der Auftraggeberseite. Dies ist insbesondere bei komplexen Projekten der Fall

 

Brigitte Ederer appelliert: „Um Chancen im wahrsten Sinne ‚vergeben‘ zu können, möchten wir den Entscheidungsträgern Mut machen. Die öffentlichen Beschaffer sollen innovativen österreichischen Unternehmen die Chance geben, auch am Heimmarkt aktiv und erfolgreich zu sein!“

 

Über den FEEI
Der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie vertritt in Österreich die Interessen des zweitgrößten Industriezweigs mit rund 300 Unternehmen, über 60.000 Beschäftigten und einem Produktionswert von 13,4 Milliarden Euro (Stand 2015). Gemeinsam mit seinen Netzwerkpartnern – dazu gehören u. a. die Fachhochschule Technikum Wien, UFH, die Plattform Industrie 4.0, Forum Mobilkommunikation (FMK), Umweltforum Starterbatterien (UFS), der Verband Alternativer Telekom-Netzbetreiber (VAT) und der Verband der Bahnindustrie – ist es das oberste Ziel des FEEI, die Position der österreichischen Elektro- und Elektronikindustrie im weltweit gefühten Standortwettbewerb zu stärken. www.feei.at

 

Über die Metalltechnische Industrie
Die Metalltechnische Industrie ist Österreichs stärkste Branche. Über 1.200 Unternehmen aus den Industrie-zweigen Maschinenbau, Anlagenbau, Stahlbau, Metallwaren und Gießerei bilden das Rückgrat der heimischen Industrie. Die exportorientierte Branche ist mittelständisch strukturiert, besteht zu mehr als 85 % aus Familien-betrieben und ist für ein Viertel aller österreichischen Exporte verantwortlich. Zahlreiche Betriebe sind Weltmarktführer und „Hidden Champions“.

 

Die Metalltechnische Industrie beschäftigt direkt rund 130.000 Menschen und sichert damit indirekt an die 250.000 Arbeitsplätze in Österreich. Sie erwirtschaftete 2016 einen Produktionswert von rund 35 Milliarden Euro.

 

Der Fachverband Metalltechnische Industrie, ein Zusammenschluss der ehemaligen Fachverbände Maschi-nen- und Metallwarenindustrie sowie Gießereiindustrie, zählt zu den größten Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden Österreichs und ist eine eigenständige Organisation im Rahmen der Wirtschaftskammer Österreich.

 

Rückfragen:

 

Mag. Gabriele Schöngruber
FEEI Kommunikation
Mariahilfer Straße 37–39 I 1060 Wien
T +43/1/588 39-63 | M +43/664/619 25 09
E schoengruber@feei.at | www.feei.at

 

Dr. Berndt Thomas Krafft
Fachverband Metalltechnische Industrie
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
T +43 (0)5 90900-3482
E office@fmti.at
H www.metalltechnischeindustrie.at



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