Lieferkettengesetz
EU-Lieferkettengesetz: Hürden vor der Zielgeraden
Am 23. Februar 2022 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag zur sogenannten Corporate Sustainability Due Diligence veröffentlicht. Das Ziel ist die Verbesserung des EU-Rechtsrahmens für Nachhaltigkeit im Bereich Corporate Governance.
Die im Ausland beschafften Vorleistungsgüter bzw. Fertigerzeugnisse sollen in allen Phasen ihrer Wertschöpfungskette auf etwaige umweltschädigende Produktionsverfahren sowie angemessene Arbeitsbedingungen geprüft werden. Der Vorschlag zielt auf Kapitalgesellschaften (EU-Unternehmen und in der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten) ab 500 Mitarbeitern und 150 Millionen Euro Jahresumsatz bzw. in bestimmten „Risikosektoren“ ab 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz ab.
Die Sorgfaltspflicht gilt ebenso für Tochterunternehmen und die gesamte Wertschöpfungskette – direkte und indirekte Geschäftsbeziehungen. Mögliche Verstöße gegen Umweltschutz und Menschenrechte sollen ermittelt und wirksame Strategien dagegen erarbeitet werden. Das Management soll dazu verpflichtet werden, diese Interessen in der Unternehmensstrategie zu berücksichtigen und durchzusetzen, inklusive Anreize in Form von variabler Vergütung. Neben Verwaltungsstrafen durch nationale Behörden sieht der Vorschlag auch zivilrechtliche Klagen von geschädigten Individuen oder Organisationen vor.
Im Ministerrat wurde am 1. Dezember die sogenannte allgemeine Ausrichtung beschlossen.. So spricht der Rat nun von „Aktivitätskette“, die vor- und nachgelagerte wirtschaftliche Tätigkeiten beinhaltet, jedoch die Endkonsumphase ausschließt. Um Klarheit zu schaffen, wurde eine Liste jener Tätigkeiten der Geschäftspartner erarbeitet, die umfasst werden soll. Ebenso soll die zivilrechtliche Haftung von Unternehmen nur unter klar definierten Voraussetzungen gelten. Allerdings hält der Rat diese Präzisierungen im Bereich der zivilrechtlichen Haftung für ausreichend, um eine ursprünglich geplante Schutzklausel für Ausnahmen für Unternehmen, die eine vertragliche Zusicherung von Geschäftspartnern eingeholt haben, zu streichen.
Die weitere Bürokratiewelle, die damit auf Unternehmen aller Größen zukommt, ohne jedoch die Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu lösen, sieht die Industrie sehr kritisch.
Das Problem der Nichtdurchsetzung bestehender Regelungen wird dadurch ebenso wenig angegangen, wie die zunehmende Verquickung von Rechtsmaterien und die damit einhergehende Rechtsunsicherheit für Unternehmen. Mangelhafte Definitionen und ungenügend konkretisierte Rechtspflichten tun ihr Übriges. Europa bewegt sich damit einen weiteren Schritt vom erklärten Ziel der Kommission bzw. des Green Deals weg, ein umfassendes Wachstums- und Wettbewerbsprogramm zu sein.
Der Prozess im Parlament ist noch nicht abgeschlossen und die Gespräche um eine ausgewogene Position werden bis ins Frühjahr 2023 andauern. Ab Sommer 2023 werden dann die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Rat und Parlament starten, deren Geschwindigkeit und Ausgang jedoch angesichts der andauernden, multiplen Krisen sowie anstehender Wahlen in mehreren EU-Mitgliedsstaaten ungewiss erscheint.