-Brexit: Praxis-Informationen für Unternehmen
- Webinar (https://www.youtube.com/watch?reload=9&v=WkYYNDyUHZA), in dem das neue Handels- und Partnerschaftsabkommens EU-UK von Prof. Repasi von der Erasmus University Rotterdam gut und konzise erklärt wird. Eine Zusammenfassung finden Sie unten.
- Ersteinschätzung zu den handelspolitischen Teilen des Abkommens https://newsletter.wko.at/Media/4dfb29b2-6443-4f57-aa55-b51ca878a0cd/brexit_whp-analyse_2101040.pdf
- Brexit-Seite mit einem Überblick aus der Sicht der Außenwirtschaftsabteilung https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/brexit-fahrplan.html
Das oben genannte Webinar in Kürze zusammengefasst:
- Der Vertrag ist hochpolitisch, sehr umfangreich, aber wenig ambitioniert
- Er entspricht den roten Linien, die beide Seiten gezogen haben
- Der Vertrag ist fragil und problematisch für die Rechtssicherheit z.B. für Unternehmen
- Die Chance auf konstruktive Zusammenarbeit in der Zukunft wurde nicht genutzt, siehe z.B. Dienstleistungen
- Weitreichend/über den Erwartungen: Protokoll zur sozialen Sicherheit und Zusammenarbeit beim Klimaschutz
Allgemein
- Rechtsnatur des Abkommens: Assoziierungsabkommen, kein klassisches Handelsabkommen (Art 217 EUV)
- Vorläufige Anwendbarkeit bis mind. 28. Februar (Art 218 EUV)
- Überprüfungsklausel: alle 5 Jahre nach in Kraft treten, kann das Abkommen komplett überarbeitet werden
- Keine direkte Anwendbarkeit des Abkommens: EU Bürger (oder Unternehmen) können sich nicht direkt auf das Abkommen berufen (d.h. Streitbeilegung kann nicht durch einzelnen angeregt/geklagt werden)
- Allgemeine Kündigungsklausel: jederzeit, ohne Angabe von Gründen und einseitig (12 Monate nach Kündigung ist Abkommen beendet) – keine langfristige Rechtssicherheit
Institutionen
- Partnerschaftsrat mit EU und UK Vertretern (geteilter Vorsitz): Entscheidungen zum Abkommen, Vorschlagsrecht für Änderungen am Abkommenstext, d.h. Abkommen ist nicht statisch sondern kann sich im Laufe der Zeit ändern
- Schiedsgericht entscheidet auf ad hoc Basis über Anwendung und Auslegung des Abkommens (3 Schiedsrichter), fällt bindende Urteile
- Bei Level Playing Field entscheiden Expert Panels
Scope
- Interessante Tabelle ab Minute 33 zur Reichweite des Handelsabkommen
- Nichttarifäre Handelshemmnisse werden im Abkommen nicht behandelt
- Mindeststandards:
keine Regelung zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsprüfungen (hinter CETA zurück), doppelte Prüfungen sind notwendig
Keine Regelungen zu Mehrwertsteuern, Verbrauchersteuern; aber zu Produktstandards, Arbeits- und Sozialschutz, Umweltschutz, - Dienstleistungen: sehr dünn
Negativlisten im Anhang zur Beschränkung von Dienstleistungen
Kurzzeit-Geschäftsreisen ohne Visum sind möglich für explizit aufgezählte Zwecke (sehr eng gefasst, z.B. Sitzungen, Messen, Verkauf, Einkauf, Kundendienst)
Keine Regelung zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikation (hinter CETA zurück)
- Finanzdienstleistungen: Äquivalenzentscheidung noch ausständig, nur gemeinsame Erklärung über künftiges Memorandum of Understanding (hinter Japan zurück)
- Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit nicht geregelt
Level Playing Field
- Ab Minute 46 anhand Übersichtsgrafik erklärt
- Sechs Themen geregelt: Wettbewerb, Beihilfen, Steuern, Arbeits- und Sozialstandards, Umwelt- und Klimaschutzstandards, Handel und nachhaltige Entwicklung
- Durchsetzung unterschiedlich je nach Themenbereich: z.B. Wettbewerbs- und Steuerrecht, Handel wenig bis keine Durchsetzungsmöglichkeiten; Beihilfen, Arbeits- und Sozialschutzstandards und Umwelt mehr Durchsetzungsmöglichkeiten
Sanktionen dazu
- Ab Minute 51 werden Sanktionsmaßnahmen detaillierter erklärt
- z.B. Einstweilige Abhilfemaßnahmen, Beihilfenverfahren, Ausgleichsmaßnahmen
Soziale Sicherheit
- Bestehende EU Rechtsordnung wird repliziert, Abkommen geht hier sehr weit
- EHIC gibt es in UK nicht mehr, Abkommen schafft aber einen gleichwertigen Zustand
- Soziale Koordinierung bei Arbeitnehmerentsendung bis 24 Monate möglich in Form eines „opt in“ für Mitgliedstaaten in sozialversicherungsrechtliche Regelung der Union (Österreich möchte das alte System weiterführen)
Justizielle Zusammenarbeit
- Austausch möglich z.B. Austausch von Fluggastdaten, DANN, Autoregistrierung (PRÜM), Schengen-Informationssystem
- EU kann Austausch einseitig beenden, UK ist nicht mehr Teil der Datenbank/kein direkter Zugang zu Unionsdatenbanken
- Europol/Eurojust Zusammenarbeit
- EU Datenschutzrecht für Übergangsperiode von vier Monaten (verlängerbar) weiter in UK anwendbar bis Äquivalenzentscheidung der EK
Menschenrechte
Essential elements clause: einseitige Kündigung des Abkommens möglich, u.a. bei Verletzung von Menschenrechten aber auch bei Verletzungen des Klimaschutzes
Kontakt
Dipl. iur. Sabine Hesse, MBA (Referentin Handelspolitik)
E hesse@fmti.at T +43 5 90 900 3358